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Der Geist Gottes schwebte über der Urflut, als Gott die Welt erschuf, führte das Volk Israel aus Ägypten und bewirkte an Pfingsten Verständigung zwischen den Völkern.
Er wirkt als die grosse verändernde Macht, die zu Taten der Liebe anstiftet, Visionen und Bewegungen befeuert, Autoritäten untergräbt – und als Inspirationsquelle für grandiose Kunstwerke.
Auf ihn berufen sich verschiedenste Kräfte in Kirche und Politik. Nicht zu übersehen sind die vielen neueren Kirchen, die sich als Pfingstkirchen bezeichnen, in südamerikanischen Ländern und in den USA, teilweise auch bei uns. Was bedeutet ihre Berufung auf den heiligen Geist? Sind die anderen, die «alten» Kirchen, ohne Geist?
Viele Exponenten dieser neuen Bewegung sehen sich so: Als Gruppe der Geistbegabten in einer geistlosen Welt. Sie haben als einzige den Durchblick und vergessen, dass schon Paulus diejenigen kritisierte, die sich als Träger des Geistes profilieren wollten. «Der Geist weht, wo er will», sagt dazu Evangelist Johannes. Niemand kann den Geist in seine Kreise zwingen, auch nicht in eine Kirche, die sich auf ihn beruft. Es geht um eine Grundspannung der (Kirchen-)Geschichte. Die Existenz im Warten auf die Erfüllung, die von Gottes Geist herkommt, braucht Ausdauer. Vor allem, weil man selbst Teil der Vorläufigkeit ist, wie Paulus sagt: «Ich will eigentlich Gutes tun und tue doch das Schlechte…» (Römer 7,15–24)
Die biblischen Figuren sind nie eindeutig gut: David als guter König, David als hinterlistiger Ehebrecher. Wenn man diese Spannung auflöst, verschwindet die geschichtliche Dimension des Glaubens. Was in der Zeit veränderlich war, wird zu Räumen umdefiniert: Hier die mit dem Geist, dort die Ungläubigen. Und säkular: Hier Trumps Republikaner, dort die gegnerischen Demokraten, hier die Einheimischen, dort die Ausländer. Vergessen, dass Abraham ein Fremdling war, Jesus als Störenfried der etablierten Gesellschaft gekreuzigt wurde, Petrus nicht nur Fels, sondern auch Verleugner war.
Der englische Theologe John M. Hull (1935 – 2015) schreibt: «Es wird eine Wirklichkeit geschaffen, die absolut ist, weil sie keine Vergangenheit hat, mit der sie verglichen werden kann. Das Bewusstsein wird von einer einzigen Weltsicht beherrscht, die nicht mehr hinterfragt werden kann», und das Bewusstsein für die Beschränktheit der eigenen Sicht geht dabei verloren. Verabsolutierte Weltsichten haben Hochkonjunktur – in den USA, wie auch in Europa oder China. Ob sie langfristig mit Demokratie koexistieren können, wird sich zeigen. Hoffen wir auf das Wehen des Geistes in allen Teilen unserer Erde, wir haben ihn dringend nötig!
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