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Kein Lifestyle, sondern essentiell für die Gesundheit

Am Montag dieser Woche lud das Spital Männedorf in den Löwen-Saal, um in einer Veranstaltung der Reihe «Podium Gesundheit 2024» der Frage «Adipositas – Medikamenteneinsatz zur Krankheitstherapie oder als Lifestyletrend?» nachzugehen.

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Präsentierten Therapiemöglichkeiten für die chronische Krankheit Adipositas: Prof. Dr. med. MHBA Andreas Thalheimer, Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter, Daniela Alceste, Ernährungstherapeutin und Dr. med. Dominik Schneider. Foto: MAZ

Gemäss BAG (Bundesamt für Gesundheit) gelten rund 11 Prozent der Schweizer Bevölkerung als adipös, weisen also einen BMI (Bodymassindex) von 30 oder mehr auf. Dies ist oft mit Scham oder Schuldgefühlen verbunden und wird in der Gesellschaft stigmatisiert.

Die Fachleute des Spitals Männedorf, Dr. med. Dominik Schneider, Chefarzt Innere Medizin, Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter, Chefarzt Viszeralchirurgie, Klinikleiter Chirurgie und Daniela Alceste, Ernährungstherapeutin, alle ausgewiesene Adipositas-Spezialisten, sprachen unter der Leitung von Prof. Dr. med. MHBA Andreas Thalheimer, Stv. Chefarzt Viszeralchirurgie einen Abend lang offen über die möglichen Therapiemöglichkeiten: Wie wichtig und richtig diese für betroffene Patientinnen und Patienten sind und warum es nicht nur eine richtige Form der Therapie gibt. Denn: Chronisches Übergewicht ist eine Krankheit und nicht einfach ein Ausdruck der Faulheit der Patientinnen und Patienten, sind sich die Experten einig. «Ungezügelter, nicht kontrollierbarer Hunger und Appetit sind nicht die Ursache, sondern Symptom der Erkrankung Adipositas», sagte Marco Bueter.

Behandlung mit Medikamenten

Besonders die Verfügbarkeit von neuen Medikamenten zur Therapie von Adipositas wird von der Gesellschaft kritisch beobachtet und oft als Lifestyletrend abgetan.

95% der Patienten leiden unter primärer Adipositas, ausgelöst durch Nahrungsqualität, Bewegungsmangel, soziokulturelle Faktoren (Bildung, Status etc.) oder genetische Prädisposition (60%). Bei diesen Patienten reicht eine konservative Adipositastherapie – also weniger essen, mehr bewegen – allein meist nicht aus, um die Krankheit in den Griff zu bekommen.

Neu sind Medikamente wie Saxenda (nicht mehr auf dem Schweizer Markt) oder Wegovy (beide mit dem Wirkstoff Semaglutide), die nachweislich beim Gewichtsverlust helfen. Um dieses Medikament zur Adipositastherapie zu bekommen, müssen viele Voraussetzungen erfüllt werden, und damit die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, muss der Patient einen BMI von über 30 oder einen über 27 mit einer oder mehreren Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Hypercholesterinämie haben. Es braucht immer eine Kostengutsprache, und regelmässige Verlaufsberichte an die Krankenkasse sind vorgeschrieben. Erhältlich sind die Medikamente nur über spezialisierte Adipositaszentren – auch für Selbstzahler. Von einem Lifestyle-Medikament kann in der Schweiz also nicht die Rede sein. Die Kosten werden für maximal drei Jahre übernommen und nur dann, wenn stetige Erfolge erzielt werden. Studien zeigen, dass mit Medikamenten durchschnittlich etwa 15 Prozent des Körpergewichtes verloren werden kann.

Bariatrische Chirurgie

Die einzige Methode, Adipositas nachhaltig in den Griff zu bekommen seien die oben erwähnten Medikamente oder ein chirurgischer Eingriff, weil «beide in der Physiologie der Esskontrolle angreifen, indem sie hormonelle Mechanismen attackieren», erklärte Marco Bueter. Die Angst vor Operationen ist weit verbreitet. Marco Bueter versicherte aber, dass die bariatrische Chirurgie kein Himmelfahrtskommando sei: «Es ist eine sichere, etablierte Operation. In 97 Prozent dieser Operationen geht alles glatt, es wird 60 bis 80 Minuten operiert, und der Patient kann nach zwei Tagen das Spital wieder verlassen.» Bei den drei Prozent, bei denen es Komplikationen gebe, liege das Risiko, an der Operation zu versterben, bei unter 0,05 Prozent. «Das ist nicht null, im Vergleich zu vielen anderen Operationen aber sehr wenig. Wichtig ist, dass die Operation von erfahrenen Spezialisten durchgeführt wird», sagte er. Danach könnten die Patienten ganz normal essen und würden auch keine «Esskrüppel», obwohl das oft behauptet werde.

Um einen kosmetischen Eingriff handle es sich aber nicht. «Ich bin kein Wunschgewichtserfüllungsgehilfe, doch ich kann den Patienten helfen, gesünder zu werden. Wo das Gewicht enden wird, kann ich nicht sagen. Jeder Patient ist anders», sagte Marco Bueter. Statistiken zeigen einen Gewichtsverlust von etwa 25 bis 30 Prozent. In vielen Fällen sei eine Kombination beider Therapieformen sinnvoll: «Es darf kein Gegeneinander sein, wir müssen miteinander Lösungen finden», so Bueter.

Ernährung, Bewegung und genügend Schlaf

Beide Therapieformen funktionieren aber nur, wenn gleichzeitig das Ess- und Bewegungsverhalten der Patientinnen und Patienten angepasst wird. «Um Gewicht zu verlieren und gesund zu werden, müssen Sie Ihren Lifestyle umstellen», sagte Ernährungstherapeutin Daniela Alceste. Durch die richtige Ernährung und mehr Bewegung kann Muskelmasse erhalten und Fettmasse abgebaut werden. Als Ernährungsberaterin empfehle sie nicht weitere Diät, sondern vermittle ein gesundes Verhältnis zum Essen. Muskelaufbau sei darum so wichtig, weil er zu Gewichtsstabilisierung, Knochengesundheit, Blutzuckerkontrolle und besserer Insulinaktivität beitrage. Auch mit kleinen Schritten komme man ans Ziel. Es sei normal, nicht perfekt zu sein, sagt Daniela Alceste. Stressabbau, genügend und guter Schlaf sowie die mentale Gesundheit sind für das Abnehmen oder Halten des Körpergewichts zudem essentiell. Und: Jeder Mensch braucht Hilfe: «Lassen Sie sich von Experten helfen und denken Sie daran, Facebook, Influencer, Familie und Freunde sind keine Experten. Auch wenn sie nur das Beste für Sie wollen, sind Ratschläge wie ‘trink diesen neuen Shake’ oder ‘trainier doch einfach jeden Tag ein bisschen’ kontraproduktiv», ist sich die Spezialistin sicher.

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