Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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«Lüüt vo Mäile» schildert das Alltagsleben in Meilen vor hundert Jahren

Ende Oktober wurde im Ortsmuseum ein Buch von Hans Haab mit Meilemer Erzählungen aus den 1920er- und 1930er-Jahren vorgestellt. Ein weiteres Werk mit Dorfgeschichten ist lesenswert: «Lüüt vo Mäile» von Emil «Heiri» Meier (1909 – 1998).

Heimatbuch-Präsident Hans Isler nennt die «Lüüt» gar einen heimlichen Bestseller: Das Buch erlebte im März 2023 an einer Veranstaltung der Vereinigung Heimatbuch seine Premiere, und von den total 500 gedruckten Exemplaren sind jetzt gerade noch rund 100 verfügbar.

Es lohnt sich, sich eines davon zu sichern, denn die in Mundart geschriebenen Erinnerungen, in deren Zentrum das Restaurant Schützenhaus steht – heutige Adresse: Dorfstrasse 81–, sind reizend. Gerade, weil sie viele Dorforiginale aus der Zeit von 1915 bis 1930 mit recht spitzer Feder beschreiben.

«Richtiges» Zürichdeutsch

Dass die «Lüüt vo Mäile» von Emil Meier überhaupt gedruckt das Licht der Welt erblickten, ist Fredy Jordi zu verdanken. Der Sohn von Hufschmied Alfred Jordi lebt heute in Zürich, ist aber in Meilen an der Kirchgasse aufgewachsen und besuchte zusammen mit Emil Meiers Sohn Peter den «Chindsgi» und die Primarschule im Dorf. Peter Meier war es auch, der ihm die Manuskripte gab – viele in Mundart mit Schreibmaschine beschriebene Seiten, teils mit handschriftlichen Korrekturen.

Via Ortshistoriker Peter Kummer, ebenfalls ein ehemaliger Schulkamerad, nahm Fredy Jordi Kontakt auf zu Germanist Heinz Gallmann, der später auch die «Geschichten aus meiner Jugend in Meilen» von Hans Haab lektorierte (siehe Meilener Anzeiger vom 1. November). «Ich sandte ihm die Texte portionenweise», erzählt Fredy Jordi, «und Heinz Gallmann übertrug sie in ‘richtiges’ Zürichdeutsch.» Dafür sei er sehr dankbar gewesen: «Ich bin kein Schriftsteller, sondern Techniker», ergänzt er lachend. Fredy Jordi ist ausgebildeter Schlossermeister, Metallbauzeichner und Konstrukteur. Er wanderte direkt nach seiner Hochzeit 1965 mit seiner Familie nach Nigeria aus, wo er für die Alusuisse einen Verarbeitungsbetrieb leitete, bevor er sich mit seiner Familie wieder in der Schweiz niederliess.

Reiche Weinbauern und arme Tagelöhner

Doch zurück an die Meilemer Dorfstrasse, die zur Zeit der «Lüüt vo Mäile» noch «Alte Landstrasse» hiess und eine staubige, ungeteerte Strasse war: Hier, im Dorfkern, spielte vor hundert Jahren das Leben der reichen Weinbauern und der mausarmen Tagelöhner. Im Restaurant Schützenhaus schnappte der kleine Emil alle möglichen Geschichten im Gastraum auf und erlebte viele auch selber: den Sonntagsjass, die Fasnacht, den Pferdehandel. Zum Staunen sind die Erzählungen vom Sigrist, der jeweils schon um fünf Uhr morgens die Glocke in der reformierten Kirche läutete um die Meilemer zu wecken, vom Coiffeur, der mit Velos handelte und grundsätzlich nie zu Fuss ging, oder von «Juuli», der beim Bauernhof von Hochstrassers angestellt war und dort quasi zum Inventar gehörte. Diese Geschichte ist auch die Lieblingserzählung von Fredy Jordi. Besonders angetan hat es ihm ausserdem Otto Frei, der ausgebildeter Kunstmaler war, aber wegen einer fragilen Gesundheit Landluft verordnet bekommen hatte und nur noch in der Freizeit zeichnen durfte. Von ihm stammt das Titelbild der «Lüüt vo Mäile», das Pfarrer Marti beim linkshändigen Cellospiel zeigt.

Ein Besuch beim Hufschmied im Jahr 1967

Auch in eigener Sache hat Fredi Jordy in der Vergangenheit geschwelgt. Als sein Vater Alfred Jordi eines der letzten Pferde seiner beruflichen Karriere beschlug, besuchte 1967 eine Klasse aus der Primarschule Feldmeilen mit fast 40 Kindern seinen Betrieb. Danach wurde der Besuch im Zeichnungsunterricht zum Thema, und es entstanden Farbstiftzeichnungen von Pferden und Hufschmieden, die «dem lieben Herrn Jordi» gewidmet waren. Nach dem Tod von Alfred Jordi wurden sie der Witwe Frieda Jordi geschenkt, und kürzlich hat sie Fredy Jordi zu einem hübschen Buch zusammenfassen lassen.

Wer im Jahr 1967 die 2. Klasse der Primarschule Feldmeilen bei Lehrerin Helene Grob besuchte und damals ein Pferd für Hufschmied Jordi zeichnete, darf sich gerne bei Fredy Jordi melden (Mail: a.jordi@sirex.ch) – er verschenkt Büchlein mit Reproduktionen der Zeichnungen der jungen Künstler (solange Vorrat).

Die «Lüüt vo Mäile» von Emil Meier hingegen können bezogen werden bei der Papeterie Köhler an der Dorfstrasse oder via www.heimatbuch-meilen.ch zum Preis von 15 Franken (plus Porto), ebenfalls solange Vorrat.

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