- Kultur / Politik
- Karin Aeschlimann
Meilener Anzeiger AG
Bahnhofstrasse 28
Postfach 828
8706 Meilen
Telefon 044 923 88 33
info(at)meileneranzeiger.ch
Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
AZ Meilen · Bahnhofstrasse 28 · 8706 Meilen · Telefon 044 923 88 33 · info(at)meileneranzeiger.ch
Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
Wieso gab es überhaupt Trafotürme oder Turmtrafos? – Das hängt mit den Anfängen der elektrischen Leitungsnetze zusammen.
Damals – und auch noch Jahrzehnte später – wurde der Strom für Haushaltungen, Gewerbebetriebe und Strassenbeleuchtung ausschliesslich über Freileitungen zugeführt. Durch Einsatz von Turmtrafos, Trafohäuschen oder eben Trafotürmchen liessen sich die unter Spannung stehenden Freileitungen mittels Isolatoren in gleicher Höhe direkt am Obergeschoss des Turms befestigen, um dann den Strom dem Transformator im Gebäudeinneren zuzuführen.
Architektonisch einfach
Ob es in Meilen bei Trafohäuschen der ersten Generation (um 1910) je solche vom Typ der «Flaschentrafos» wie etwa in Ottikon (siehe letzte Abbildung) gegeben hat, ist unbekannt. Die übrigen sind architektonisch schnell beschrieben: Auf ungefähr quadratischer Grundfläche (Seitenlänge wenig unter oder über 3m) erhob sich ein stehender Quader. Dieser konnte je nach Region und Entstehungszeit unterschiedlich überdacht werden. Die Meilemer Beispiele jedenfalls folgten dem einfachsten möglichen Modell, nämlich mit leicht geschweiftem Satteldach und Eingang je nachdem auf der Giebel- oder der Traufseite.
Ersetzt durch Unterflur-Trafos
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden kaum mehr neue Trafotürmchen. Denn mit zunehmender Verkabelung verloren sie ihre besondere Funktion. An ihre Stelle traten Unterflur-Trafos, und die bisherigen Turm-Trafos wurden, wenn nicht an Private verkauft, sukzessive abgerissen oder dem Zerfall preisgegeben. Denn von ihrer kleinen Grundfläche her waren sie viel schlechter umnutzbar als etwa die Waschhäuser, die wir zu Beginn dieser Artikelserie behandelt haben. So ist auch in Meilen nur noch ein kleiner Bruchteil vorhanden.
Übersicht über die Meilemer Trafos
Schwabachstrasse 46.1: Errichtet 1926 aufgrund eines Gemeindeversammlungs-Beschlusses vom Vorjahr. 2002 nach Beseitigung der elektrischen Anlage vom EWM an Privat verkauft. Die heutigen Eigentümer sind deren Rechtsnachfolger und nutzen das Gebäude als Geräteraum und Abstellkammer. Sie gaben uns Einblick ins Innere.
«Obermeilen» (Ecke Bruech-/Halten-/Bergstrasse): Für den Schreibenden von besonderer Bedeutung, lag es doch seinerzeit am Schulweg. Der Standort befand sich wohl zu nahe an der Strasse. So musste es 1968 gemäss Beschluss der Baubehörde nach Inbetriebnahme des Unterflurtrafos abgebrochen werden.
Rorguet: Wäre gemäss Versicherungsnummer gleich alt wie «Schwabach», figuriert aber schon 1921 auf dem Grundbuchplan. Ausserbetriebsetzung 1963/64 bei Inbetriebnahme der Kläranlage, Abbruch 2015. Details siehe Kasten.
Hohenegg 16.1: Errichtet unmittelbar nach dem Bau der Klinik 1912, fällt es heute optisch aus dem Rahmen wegen der 1947 erstellten Erweiterung. Das ursprüngliche Trafohäuschen entspricht der rechten Seite auf dem Foto und hatte sein Giebelfeld ursprünglich über dem Eingang. Über Kabel in Betrieb mit erneuerter Inneninstallation.
Herrenweg 248.2/Haltenacher: Über Kabel in Betrieb mit erneuerter Inneninstallation. Gebäudehülle offiziell schutzwürdig. Details mit Abbildung vgl. «Meilen entdecken», Nr. 322.
Weitere, unterdessen abgerissene Trafotürmchen haben wir eruiert an der unteren Nadelstrasse, der oberen Winkelstrasse, der Risi (Abzweigung Burgstrasse/Im Veltlin). Von einzelnen gibt es Pläne, alle sind z.B. auf Luftaufnahmen erkennbar, aber zumeist zu unscharf für eine genauere Beschreibung und den Druck. Leider wurde bei Abbrüchen eine Dokumentation meist versäumt.
Dank
Für die Durchsicht des Textes und entsprechende technische Ergänzungen geht der Dank an Julius Welti, seinerzeit Geschäftsführer der Gemeindewerke Meilen, für entscheidende Informationen zum Trafohäuschen Roren an Thomas Zimmerli, Klärwerkmeister ARA Rorguet, sowie Haaike Peeters, stv. Leiterin Hochbauabteilung, und für diverse Auskünfte an eine Reihe weiterer Zuträger aus der iNFRA, schliesslich für Infos über Trafostationen schweizweit an Stephan Ruch von www.swisstrafos.ch.
Mit Hochspannung ist es möglich, elektrischen Strom über weite Strecken ohne grössere Übertragungsverluste zu verteilen. Haushalt und Gewerbe dagegen brauchen Niederspannung. Aufgabe der Transformatorenstationen ist es, Strom umzuformen, zuerst von der Hochspannung (z.B. 220 kV) zur Mittelspannung von 16 kV, was für Meilen z.B. im Unterwerk Fröschgüllen in Herrliberg geschieht, und danach von der Mittel- zur Niederspannung (220/380 Volt). So kommt der Strom schliesslich bei uns zu Hause in brauchbarer Spannung aus der Steckdose.
Wie der Innenausbau eines Trafoturmes aussehen konnte, zeigen die Bilder des Trafoturmes Rorguet, die während des Abbruchs aufgenommen wurden. Im Obergeschoss befanden sich die Mittelspannungsschaltanlage (16 kV) sowie die Leitungen, die von den Isolatoren der Freileitungen herkamen. Der Transformator selbst stand im Erdgeschoss. Daneben war die Niederspannungsverteilung (380/220 Volt) montiert. Bei der Anlage Rorguet waren die Schaltelemente und Leitungen zum grössten Teil ohne Isolation ausgeführt, da dies anfänglich noch erlaubt war – sehr gefährlich fürs Arbeiten, denn eine falsche Bewegung hätte zu einem Stromschlag führen können. Die übrigen Trafotürme der Gemeinde hatten im Prinzip einen ähnlichen Aufbau, die meisten allerdings mit Zwischenboden und entsprechend klarerer Aufteilung zwischen Mittel- und Niederspannung.
Wie erwähnt, liegt schon über dem Bau und der Inbetriebnahme historischer Nebel. Aber ein halbes Jahrhundert nach der Ausserbetriebnahme stand das Türmchen, etwas abgerückt von der Seestrasse, unbeachtet immer noch da. Erst nach dem Bau der Biofiltration der benachbarten ARA (Abwasserreinigungsanlage) «geriet dieses historische Kleinobjekt in statische Schieflage», wie der Gemeinderat feststellte. Da er die Kosten für ein neues Fundament als unverhältnismässig hoch erachtete, entschied er sich angesichts der Existenz weiterer solcher «historischer Kleinbauten» in der Gemeinde für die Entlassung aus dem Inventar schutzwürdiger Bauten – dabei war dieses Trafohäuschen das einzige mit noch originaler Elektroinstallation! Die Entlassung aus dem Inventar wurde zwar ordnungsgemäss publiziert, aber sehr versteckt in einem Text über die «Festsetzung des überarbeiteten Inventars», und blieb wohl unbeachtet.
Da im Kanton Zürich für einen Abbruch keine Baubewilligung erforderlich ist, wenn die Baute (u.a.) nicht im Inventar der schützenswerten Objekte verzeichnet ist, bedurfte dieser gar keines formellen Beschlusses mehr. Für den Abbruch hatte laut einem ARA-Kommissionsprotokoll die ARA als Baurechtsnehmerin der betreffenden Parzelle aufzukommen. Dieser ist dann am 27. Mai 2015 erfolgt und von Thomas Zimmerli, Klärwerkmeister der ARA Rorguet, fotografisch dokumentiert worden. Der «Abbruch-Automatismus» hatte allerdings zur Folge, dass er der Gemeinde gar nie rapportiert wurde und der Gebäudeversicherung schon gar nicht. So zahlte die Gemeinde bis zu unseren Recherchen noch bis 2024 die entsprechenden Versicherungsprämien…
Meilener Anzeiger AG
Bahnhofstrasse 28
Postfach 828
8706 Meilen
Telefon 044 923 88 33
info(at)meileneranzeiger.ch