- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger war auch da und natürlich sprachen wir über den Eurovision Song Contest.
«Ich habe den Song Contest nie geschaut», sagte ich. «Und ich hätte mich auch dieses Jahr nicht dafür interessiert, wenn nicht ein paar Tage vorher ein guter Freund, auf dessen Urteil ich mich gerne verlasse, Nemo in den höchsten Tönen gelobt hätte.» – «Ich bin den ganzen Abend nicht vom Fernseher losgekommen», brach es aus Roger heraus. «Warst du nicht auch die ganze Zeit nervös?» – «Nein, denn ich war an einem grossen Fest, und so habe die die Live-Show verpasst.» – «Ach, es war grossartig! Die Fachjury war sich weitgehend einig, dass Nemo den besten Song abgeliefert hatte.» – «Beim Publikum war die Bewertung dann nicht mehr so eindeutig.» – «Schon», intervenierte Roger schnell, «aber es hat trotzdem klar zum Sieg gereicht.» Wir bestellten noch eine Stange. Roger legte in seiner Begeisterung einen grossen Durst an den Tag. Nachdem auch ich einen kräftigen Schluck genommen hatte, fragte ich ihn: «Ist dir aufgefallen, dass Nemo für die Siegperformance von einer anderen Kandidierenden Person einen Kranz aufgesetzt bekommen hat?» – «Stimmt. Sah aus wie eine Dornenkrone.» – «Den Eindruck hatte ich auch. Und wenn Nemo sang ‘ich ging durch die Hölle und zurück’, ‘nun habe ich mein Paradies gefunden’ und ‘zwischen den Nullen und Einsen fand ich mein Königreich’, was an das englische ‘thy kingdom come’ aus dem Unser Vater erinnert – dann waren das ganz schön viele Anleihen aus der christlichen Tradition.» – «Hat was», meinte Roger nun etwas nachdenklich. «Meinst du, das war Absicht?» – «Ich kann’s mir nicht anders vorstellen. Jedenfalls würde ich gerne mal mit Nemo darüber reden.» – «Die ganze Bühne war ja im Grunde ein grosses Kreuz», fügte Roger noch an. «Das war meines Erachtens dann einfach ein glücklicher und stimmiger Zufall», meinte ich. «Sogar die Bühne hat ans Schweizer Kreuz erinnert. Schön, wenn’s passt!» So plauderten wir über diesen Grosserfolg, bis ich schliesslich zahlte und Jimmy zurief: «Bis in einer Woche!», und er antwortete: «Bis nächste Woche.» Draussen kam ich an der Kirche vorbei und dachte: Die christlichen Symbole sprechen noch immer. Aber sie wandern mehr und mehr aus der Kirche aus.
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