- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger war auch da. Wir stiessen an. Roger sagte: «Die haben eine Riss in der Platte.» – «Ah, ja? Ich war erst kürzlich da, habe einen Kaffee getrunken.» – «Hast du die Kreuze nicht gesehen?» – «Nein, habe ich nicht.» – Wir nahmen beide einen Schluck.
«Ist schon ein schöner Ort», fuhr ich fort. «Sicher», bestätigte Roger, «und ein wichtiger. Hier beginnt der Übergang ans andere Ufer.» – «Jedenfalls für die meisten», meinte ich. «Für die meisten?» Roger zog die Stirn kraus. «Naja, ich habe dort nur einen Kaffee getrunken und bin wieder gegangen.» – «Okay. Einverstanden.» Wieder liessen wir einen guten Schluck Bier die Kehle hinunter gleiten. «Der Warteraum ist eben schon wichtig», setzte Roger wieder ein. «Für viele ist es die einzige Möglichkeit», bestätigte ich. Und Roger setzte nach: «Alles andere wäre ein grosser Umweg.» Wir tranken unsere Gläser leer und gaben Jimmy ein Zeichen für zwei weitere Stangen. Ich hing derweil noch dem Begriff Warteraum nach. «Warteraum», sagte ich schliesslich schmunzelnd. «Ist eine gute Metapher! So habe ich die Platte noch nie gesehen.» Roger stutzte. «Was meinst du? Es sagen doch alle ‚Warteraum’ dazu. Wie sagst du denn zu diesem Bereich?» Nun sah ich leicht irritiert zu Roger. «Also bis jetzt habe ich dazu immer ‚Altersheim’ gesagt. Und ich habe noch nie einen anderen Begriff dafür gehört.» – «Wovon sprichst du?» Das Fragezeichen stand weiterhin auf Rogers Gesicht. «Vom Altersheim Platten, natürlich. Wovon hast du denn gesprochen?» – «Na, vom Warteraum am Fährensteg. Dort hat es seit geraumer Zeit einen Riss in der Platte, weshalb eine Spur gesperrt ist.» Einen Moment lang sahen wir uns ausdruckslos an. Dann lachten wir beide los. «Jetzt ist auch klar, weshalb ich den Riss nicht gesehen habe», meinte ich schliesslich. Und Roger ergänzte: «Und die Kreuze! Die sind nämlich auf der Warteplattform kaum zu übersehen.» – «Und im Altersheim haben sie eine ganz andere Bedeutung.» Wir stiessen noch einmal an, leerten unsere Gläser und zahlten. «Jimmy, bis in einer Woche!» – «Bis nächste Woche», antwortete dieser und winkte mir fröhlich zu. Dann verliess ich die Bar und dachte bei mir: Saint-Exupéry hatte recht, die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.
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