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Der Leitstern

Der Stern von Bethlehem spielt eine wichtige Rolle an Weihnachten, leitet die Menschen zur Krippe hin. Und über ihn kursieren viele Legenden. Eine davon erzählt von den blinden Sternsehern des Herodes.

Adorable little girl opening a Christmas present at home
Schenken oder beschenkt werden: Aus Liebe soll es geschehen. Foto: Adobe Stock

Als die Weisen aus dem Morgenland den Hof des Königs Herodes wieder verliessen, bestellte dieser seine drei besten Sternseher zu sich und erzählte ihnen von dem Stern, der die Ankunft eines neuen Königs ankündigte. Er beauftragte sie, dem Stern zu folgen und das Kind nach Jerusalem zu bringen und versprach ihnen grossen Lohn.

Die drei Sterndeuter folgten sogleich dem Stern. Doch in der dritten Stunde der Nacht gerieten sie in Streit, denn einer von ihnen hielt einen anderen Stern für heller als die anderen. So trennten sie sich. Zur sechsten Stunde gerieten auch die zwei anderen in Streit. So folgte nun jeder einem anderen Stern, und jeder war sich des grossen Lohns gewiss. Doch zur neunten Stunde der Nacht schienen ihnen auf einmal alle Sterne gleich hell. In ihrem Eifer folgten sie einmal diesem, einmal jenem Stern und merkten nicht, dass sie im Kreis gingen. Man erzählt, sie seien nie mehr an den Hof des Herodes zurückgekehrt.

Eine interessante Legende. Die drei Weisen wollen das Kind verehren und folgen mühelos dem Leitstern. Dem göttlichen Kind in der Krippe, dem Inbegriff von Liebe und Menschlichkeit, legen sie ihr Gold zu Füssen, das Symbol von Reichtum und Macht. Sie bringen zum Ausdruck, dass Macht und Reichtum nur Wert haben, wenn sie der Liebe dienen.

Die Sternseher des Herodes hingegen verlieren den Leitstern aus den Augen und gehen in die Irre. Sie suchen das göttliche Kind, um Macht und Reichtum zu vergrössern. Sie beten das Gold an und sind bereit, dafür auch unschuldige Menschen zu opfern. So werden sie blind für den Leitstern und verirren sich.

In einem Artikel über den Brauch des Schenkens vom Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern kommt der Autor zum Schluss, Weihnachtsgeschenke seien für Kinder wichtig, weil sie wenig Geld hätten. Aber er weiss nichts anzufangen mit den Geschenken der Kinder an die Eltern: «Es ist schwierig zu verstehen, was die Kinder mit diesem Geschenk ausdrücken.»

Ein erschreckendes Fazit. Hat dieser Autor noch nie ein Kind beim Schenken beobachtet, wie es mit strahlenden Augen beobachtet, wie der Empfänger sich freut? Erstaunlich auch, wie häufig im Artikel Begriffe aus der Ökonomie auftauchen, z.B. es werde «eine Geschenktransaktion getätigt».

Anthropologen wollen Wissenschaftler sein, klar, aber was soll hier die Sprache der Ökonomie? Damit kann man niemals den ganzen Menschen erfassen, denn sie hat kein Vokabular für das Phänomen der Liebe. Aber von der Liebe müsste man reden dürfen, wenn man sich mit dem Schenken befasst. Ausser man hält sie für reine Fiktion und vermutet hinter jedem Geschenk ökonomisches Kalkül, ein verstecktes Tauschgeschäft.

Rechnen wir nicht mehr mit der Liebe, weil uns die Worte dafür langsam abhandenkommen? Weil wir sogar das Schenken nur noch mit dem ökonomischen Modell beschreiben können? Sind wir so vereinnahmt von der Konsumwelt, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, etwas geschenkt zu bekommen aus freien Stücken und nicht im Austausch gegen andere Leistungen?

Weihnachten als Fest der Liebe möchte uns genau das nahe bringen: Dass Gott uns beschenkt, weil er es will, nicht weil wir ihm im Tausch dafür etwas Wesentliches anbieten könnten. Und dass wir uns nahekommen können, wenn wir es von ganzem Herzen wollen, ohne zu berechnen, was wir dafür erhalten oder bezahlen müssen.

Es ist die religiöse Sprache, die uns erzählt, dass es die Liebe gibt, und dass dies der eigentliche Grund ist, sich an Weihnachten zu freuen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Fest der Liebe!

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